Geschichte des Gemeinnützigen Frauenvereins Rheinfelden
Es waren Frauen der gutbürgerlichen Schicht, die 1855 den Gemeinnützigen Frauenverein Rheinfelden gegründet haben. Diese Frauen erkannten den sozialen und gesellschaftlichen Bedarf einer Institution, die gegen Missstände und Mängel antritt. Sie suchten gezielt nach Lösungen. Frauen kämpften mit gemeinnützigen Einsätzen, mit der Vermittlung von Know How gegen schlechte Lebensbedingungen eines grossen Teils der Bevölkerung. Die erste Präsidentin und gleichzeitig auch Gründerin des Gemeinnützigen Frauenvereins Rheinfelden war Nanette Kalenbach-Schröter. Sie war eine herausragende Frauenpersönlichkeit ihrer Zeit.
Aus Anlass der 150 Jahrfeier GFV erhielt der Verein die Nanette Kalenbach-Schröter Treppe.
Nanette Kalenbach-Schröter 1831-1917
Gründungsmitglied des Gemeinnützigen Frauenvereins Rheinfelden
Präsidentin 1855-1877
Gründungsmitglied und Ehrenmitglied des
Schweizerischen Gemeinnützigen Frauenvereins
Gegründet 1888
Oberarbeitslehrerin
Nanette Kalenbach-Schröter war eine vielseitige Persönlichkeit, die auf vielen Gebieten grosse Fähigkeiten entwickelte. Es war ihr Glück, dass sie durch die Heirat mit Gustav Kalenbach ihre Fähigkeiten ausleben konnte und er sie in ihren vielschichtigen Gebieten unterstützte. Frau Nanette Kalenbach-Schröter war in Rheinfelden eine vielgeachtete und beliebte Persönlichkeit. Dies zeigt auch der Nachruf in der Volksstimme aus dem Fricktal. Es kann als grosse Ehre betrachtet werden, dass eine Frau in dieser Zeit einen ausführlichen öffentlichen Nachruf erhielt.
Quelle: Nachruf in der Volksstimme aus dem Fricktal April 1917
Rheinfelden. Letzten Samstag in der Mittagstunde starb nach kurzer Krankheit im hohen Alter von 86 Jahren und 2 ½ Monaten Frau Maria Anna Kalenbach geb. Schröter, Oberarbeitslehrerin des Bezirks Rheinfelden. Die gestern Nachmittag unter grosser Beteiligung der Bevölkerung von nah und fern stattgefundene Beerdigung gab Zeugnis von der Hochachtung und Verehrung, welche die Dahingeschiedene in weiten Kreisen genoss. In der St. Martinskirche, wo sie früher so viel Jahre als Sängerin im Kirchenchor mitgewirkt, fand ein feierlicher Trauergottesdienst statt, umrahmt von weihevollem Orgelspiel, Gesang der Schüler und des Kirchenchors. Herr Stadtpfarrer Burkart schilderte das Leben und segensreiche Wirken der Verstorbenen in beredten Worten.
Frau Maria Anna Kalenbach wurde am 28. Januar 1831 als die zweitjüngste Tochter des Fridolin Schröter, Amtsstatthalter, und seiner Ehefrau Viktoria, geb. Hodel, geboren. Schon im fünften Altersjahr trat sie in die Schule, in welcher sie bis zum 13. Altersjahr verblieb, um sich alsdann nach Freiburg in der Schweiz zur weiteren Ausbildung zu begeben. Mit neunzehn Jahren trat sie in die öffentliche Wirksamkeit auf dem Gebiete des Arbeitschulwesens, in welchem sie bis zu ihrem Ableben ein vollgerüttelt Mass von Arbeit geleistet hat. Anfänglich war die Arbeitsschule noch Privatsache; erst im Jahr 1838 wurde für den Bezirk Rheinfelden eine Oberarbeitslehrerin gewählt in der Person der Frau Schröter, der Mutter der Verstorbenen. In diesem Jahr fand der erste Arbeitslehrerinnen-Bildungskurs in Rheinfelden statt.
In der Schule ihrer Mutter bildete sich die Verstorbene zur Arbeitslehrerin aus und wurde im Jahr 1848 als solche patentiert. Im Jahre 1850 folgte sie, 19 Jahre alt, ihrer zurücktretenden Mutter als Oberarbeitslehrerin im Amte nach und hat am 19. März 1917 das 67. Dienstjahr als Oberarbeitslehrerin zurückgelegt. Im September 1900 konnte sie ihr goldenes Jubiläum in voller geistiger und körperlicher Frische feiern. Bis zum Jahre 1912 hat sie im Bezirk Rheinfelden 13 Bildungskurse abgehalten, 2 im Kanton Solothurn, 6 in Baselland, 6 im Grossherzogtum Baden und je einen in Laufenburg und Zurzach. Führwahr, eine grosse Summe von Arbeit liegt in diesen 29 Bildungskursen. Sie wusste aber auch ihr Wissen und Können ihren Schülerinnen in so begeisternden Weise zu vermitteln, dass der gute Erfolg nicht ausblieb. Ihr freier Blick, ihre weitherzige gesunde Lebensauffassung, ihre frische Natürlichkeit, die sie bis ins hohe Alter bewahrt hat, machten sie doppelt geeignet zur Meisterin in der Anleitung und Ausbildung junger Mädchen. Der herzliche und gemütliche Ton, der ihr gesamtes Wirken begleitete, leuchtete stets wie ein Freudenschimmer durch die Schulen hindurch, und nie erklangen die Lieder der Mädchen so freudig und glänzten die Augen der Kinder so helle, als wenn ihre Oberlehrerin unter ihnen war und zum Abschied mit ihnen noch ein Lied anstimmte.
Im Jahr 1860 verehelichte sie sich mit Gustav Kalenbach, Zeichnungslehrer, mit dem sie während 40 Jahren in glücklicher Ehe lebte. Ihre Ehe war mit zwei Kindern gesegnet, einem Sohn und einer Tochter, welch letztere sich unter der Leitung ihrer Mutter ebenfalls zur Arbeitslehrerin heranbildete. Schmerzliche Prüfungen, Kummer und Leid sind der Heimgegangenen nicht erspart geblieben. Ihr lieber Sohn, der bereits als Bezirkslehrer wirkte und die Hoffnung ihres Alters war, ist in der Blüte seiner Jahre gestorben und bald darauf folgte auch ihr Gatte ihm ins Grab nach. Aber ein stetes Gottvertrauen hielt die starke Frau aufrecht und liess sie mit Ergebung den herben Verlust tragen.
Gemeinsam mit ihrem Gatten gab sie das erste schweizerische Handarbeits- und Frauenblatt Die Stunden am Arbeitstische“ heraus, die im Jahre 1871 erschienen und im Jahre 1890 mit der Schweizerischen Hauszeitung“ verschmolzen wurden. Für jede Art weiblicher Ausbildung hatte sie ein offenes Auge, ein warmes Verständnis und eine uneigennützige Hilfsbereitwilligkeit. Im Jahre 1852 half sie in Rheinfelden den Frauenverein gründen und stand ihm viele Jahre hindurch als Präsidentin vor. Sie war auch Mitbegründerin des Schweiz. Gemeinnützigen Frauenvereins und einige Zeit Mitglied des Zentralvorstandes. Für alles Schöne und Edle begeistert, war sie auch eine Freundin des Gesanges und Mitbegründerin des hiesigen Frauenchors. Während vielen Jahren wirkte sie beim Gottesdienste als Sängerin im Kirchenchor mit und war stets ein treues Mitglied der Kirche.
Bis vor wenigen Wochen erfreute sich die Hingeschiedene einer guten Gesundheit. Durch eine Lungenentzündung, die sie noch zu überwinden vermochte, waren ihre Kräfte erschöpft und am Samstag entschlief sie ohne Kampf und Schmerz im Frieden. So hat ein langes, segensreiches Wirken seinen Abschluss gefunden. Das Andenken der erwürdigen Greisin aber wird als das einer hochbegnadeten Lehrerin unserer Jugend in dankbarer Erinnerung unter uns fortleben. Quelle: Volksstimme aus dem Fricktal vom 12. September 1900
Quelle: Volksstimme aus dem Fricktal vom 12. September 1900
Bericht über die 50- jährige Amtstätigkeit im Schuldienst
Die Jubiläumsfeier der 50- jährigen Amtsthätigkeit der Frau Arbeitsoberlehrerin Kalenbach-Schröter nahm gestern einen sehr schönen Verlauf. Zur Feier hatten sich Herr Sekretär Stäuble, Experte für Bildungskurse, die Kolleginnen der Jubilarin, die Arbeitslehrerinnen des Bezirks, die noch lebenden Theilnehmerinnen des Bildungskurrses vom Jahre 1850, die Auffsichtskommission für Bildungskurse und eine Abordnung das Stadtrathes nebst vielen Freunden und Bekannten der Jubilarin eingefunden. Die Begrüssung der Jubilarin im Rathaussaale hielt im Auftrag des Bezirksschulrathes und Namens der Erziehungsdirektion Hr. Schulinspektor Burkart und überreichte die Ehrengeschenke dieser Behörden und des Regierungsrathes. Er entrollte ein interessantes Bild über die Anfänge der Arbeitsschule am Enda des vorigen und im Anfang des 19. Jahrhunderts und über die allmälige Entwicklung derselben bis zur Gegenwart bis zur Gegenwart. In dem Entwicklungsgange des Arbeitsschulwesens der letzten 50 Jahre hat die Jubilarin in hervorragender Weisse mitgewirkt und zu seiner Förderung viel beigetragen. Dabei hat sie ihre ausgezeichnetet Wirksamkeit nicht nur auf den Bezirk Rheinfelden beschränkt, sondern auch auf andere Kantone und sogar auf das Ausland ausgedehnt. So hat sie neben 13 Arbeitslehrerinnen-Bildungskursen im Kanton Aargau 2 im Kt. Solothurn, 8 in Baselland und im Grossherzogthum Baden abgehalten. Sie ist bis dahin die einzige Arbeits-Oberlehrerin, die sich rühmen darf, 50 Jahre lang in diesem Amte gearbeitet zu haben.
Hr. Stadtammann Brunner begrüsste die Jubilarin im Namen der Gemeinde und überreichte ihr zum Zeichen der Anerkennung für ihre Verdienste ein Ehrengeschenk. Die ganze Feier gab Zeugnis von der Verehrung, welche der Person und der Wirksamkeit der Jubilarin allgemein gezollt wird.
Anlässlich ihres 50 Jahre Amtsjubiläums fand im Salmensaal ein Festakt für die Bevölkerung statt. Es wurde ein Festbankett serviert. Geladene Gäste waren: Herr Sekretär Stäuble, Experte für Bildungskurse, die Kolleginnen der Jubilarin, die Arbeitslehrerinnen des Bezirks, die noch lebenden Teilnehmerinnen des Bildungskurses 1850, die Aufsichtskommission für Bildungskurse und eine Abordnung des Stadtrates nebst vielen Freunden und Bekannten. Stadtammann Brunner hielt die Festansprache und überreichte ihr zum Zeichen der Anerkennung für ihre Verdienste ein Ehrengeschenk. Ein kleines Festspiel wurde aufgeführt.